Schöne Stadt. Schlechter Geruch. Architektonisch wohl sehr gelungen.
Da steht er vor mir, leicht nach hinten gerückt, der gewaltige Komplex, verdeckt von Büschen und Bäumen und einem gewaltigen Eisentor. Die Sonne scheint auf den einladenden Park, in dem sich Studentinnen und Studenten gleichermassen tummeln. Lachend, essend, sonnenbadend.
Wie ich die Uni betrete, komme ich zuerst an der Mensa vorbei. Ich riesige Augen, alle freundlich gegrüsst wie sich`s bei uns gehört ('Zi), was mit steinernen Minen und starren Blicken quittiert wird (tss..). Aha. So läuft das hier also, alles klar. Dann laut Beschreibung den Gang geradeaus, Kinn schön oben, kann kaum das kleine Schildchen erkennen, das an der vierten Tür rechts heftet: Regie/Studio. Fröstel. Blick auf die Uhr. Fünf Minuten zu früh, super. Erst mal Pinkeln, das hab ich mir jetzt die ganze Reise aufgespart. Da vorne Rechts ein Wc, an der Tür laminierter Ausdruck: „ Diese Toilette wird gerade vom Personal gereinigt, Bitte benutzen sie das Mensa-Wc“. Shit, dort hab ich mich doch grad zum Affen gemacht. Also heimlich Türe öffnen, reinschleichen, rausschleichen lassen. Irgendwo über mir duellieren sich Piano & Trompete in skandalöser skalöser Vielfalt, die mich wiederum an die Kommunikation zwischen Tieren denken lässt. Und während ich so meditiere und mir überlege, was wohl der alte Wolfganger'l diesem musikalischen Bildungstempel abgewonnen hätte, schlägts auch schon zwölf. Ich also nichts wie raus aus meinem neu entdeckten kleinen Tempel (Seife riecht göttlich), Gang links runter, da wieder die Aufschrift: Regie/ Studio (erneutes Frösteln). Ich trete ein. „Ahh, das sind Sie, Sie kommen uns besuchen, ja ja, setzen Sie sich.“ erönt eine Stimme. Gut, ich setze mich, bin der erste. Der Professor, er steht in der Mitte des kleinen Raumes, ist vertieft in sein Macbook, das leise surrt, spricht hie und da zu sich selbst, ich sehe mich derweilen um. Nett eingerichtet. Chaotisch. Schallabsorber-Stellwände ringsum verteilt, auf Rädern, ohne ersichtlichen Nutzen. Sony 24-Kanal Mischpult, dazu RME Fireface (wer hätte es gedacht), Yamaha Abhörsystem, Surroundsound, deckenbefestigt, minimale Schallübertragung. Nett. Erste Gäste Trudeln ein. Zweite und weitere Macbooks beginnen zu surren. Insgesamt 5 Besucher. Eine junge Frau (Hauptfach Gesang, wie ich später mitkriegte), ein betont Lässiger, ein Amerikaner und einer von den toten Hosen, ich könnts schwören. Und dann eben auch ich. MAX – digitale Programmierung von Audioeffekten. Gespannt höre ich dem zierlichen Professor zu, dessen Stimme nun aufblüht in einem Schwall von Fachausdrücken, rhythmisch, wie soll es sonst sein, zu den regelmässig aufflackernden, sich ständig ändernden Zahlen auf den Diagrammen und Verbindungen an der Leinwand: „...der sogenannte Resonator, der, wie hier ersichtlich, aus einem einfachen Monodelay besteht, kann ebenso als Filter benutzt werden, wie es ja die Eigenschaft jeden Delays ist, verändern wir nun aber den Ride-point unabhängig vom Write-point, erhalten wir ein sogenanntes Sweep-Delay...“. Aha. Knapp kann ich folgen, kriege Stress, wünsche mir ein Macbook heran oder zumindest etwas zu schreiben, erinnere mich daran, dass ich das alles ja noch gar nicht können muss, entspanne mich wieder. Meine Mitschüler scheinen da auch so ihre Mühe zu haben. Die junge Frau, welche gleich neben mir sitzt, hat es scheinbar aufgegeben dem Stoff aktiv zu folgen und kopiert sich stattdessen mühsam jede Veränderung am Vorschaumodell der Audioschlaufe in ihr digitales Gehirn (scheinbar ist beides simultan unmöglich). Der Herr von Übersee schreibt sich nichts auf, er nickt nur wichtig. Auf eine Frage des Professors hin wird aber offenkundig, dass er ein mehr als lückenhaftes Verständnis des Schulstoffes besitzt. Er ist Gitarrist, sagt er in anderem Zusammenhang, verständnisvoller Blick meinerseits. Nach zwei Stunden Audiodesign, dessen vorgespielte Loops und Schlaufen (BbBLOOOiing...swuuusch...FIIIIIIIIIUUUUUUooiiippp...) meinen sonst schon sensiblen Geist vollends verwirrten, trete ich an den Professor heran, bedanke mich freundlich und erkundige mich nach einigen Punkten der Aufnahmeprüfung. Der Professor holt aus. Ich hake nach. Der Professor wird unwirsch. Ich ziehe nach. Von Kunst ist die Rede, von Klassik und Barock, von Jazz und Rock, das Vermeiden, Beginnen, Entstehen, Kunst scheinbar. Ich fühle mich persönlich angegriffen. Hole aus zum Gegenschlag, (Dass das mein erster universer Disput ist, wird mir erst im Nachhinein klar.) Nachdem ich alle mir vorher zurechtgelegten Fragen, die sich noch rekonstruieren liessen, und einige weitere, unüberlegte, zur Sprache gebracht habe, sage ich schliesslich „Bis dann, gute Zeit noch.“ zum Abschied. „Ja Danke, selber auch“ meint der Professor abwesend, nun wieder in seinen Laptop vertieft. Wie von alleine tragen mich meine Beine aus der Regie, rechts den Gang entlang, durch die Mensa (ein freundliches „Tschüss“ in die Runde kann ich mir grad noch so verkneifen). Weiter unten einen Kebab holen. Genüsslich mampfen. Lange noch werden mir die Worte des Professors im Kopf verhallen, ich werde sie drehen und wenden, kauen, ausspucken, zusammenkratzen, verachten, bewundern. Fast wird vor mir jemand von einer dem Tram nacheilenden Velofahrerin überfahren, die sich im Windschatten des stählernen Wurms zwischen den Geleisen zu radeln traut. Auf ihrem Rücken trägt sie adrett einen Geigenkoffer. Ein sanftes Lächeln umspielt meinen Mund, während ich mich eiligen Schrittes zurück zum Bahnhof begebe, durch die Einkaufsmeile, den rasenden Autos trotzend über die Strassen der Innenstadt. Schöne Stadt, schlechter Geruch, wie üblich. Hat architektonisch sicher was zu bieten. Lässt mich kalt. Der Mensch? Macht es sich einfach. Er erbaut sich seine eigene Wildnis, eine ihm gehorchende, in welcher der Verstossene zu Hausen versteht. Ich? Nichts wie raus aus dem Dschungel, zurück aufs Land.
gezeichnet grösster
hui hui. spannend spannend. ich hab zwar jetzt etwas schwierigkeiten, sie "größter" zu nennen. oder gar "sohnvon.."
AntwortenLöschenaber eigentlich wollt ich nur gschwind sagen, dass in diesem haushalt auch ein MA (art) wohnt. also ich bins nicht. und es ist das alles wert. das nicht grüßen, die gute seife und den gestank der stadt. es werden tolle jahre werden. punkt.
ach toll.
danke viil mal!!! <3
AntwortenLöschentoll geschrieben.
AntwortenLöschenwir gewöhnen uns etz aber nicht ans schöne deutsch gell :-)
LöschenOh, hallo Größter. Die Diskussion wird bestimmt nicht die Letzte sein... aber besser als sich verbiegen und anpassen. Vor allem in kreativen Studiengängen stelle ich mir das sehr schwierig vor. Da macht man jahrelang etwas aus dem Bauch heraus und ohne groß darüber nachzudenken und dann soll man sich auf einmal an irgendwelche Vorgaben halten... Viel Spaß in der großen, weiten und lauten Welt!
AntwortenLöschenLiebe Karin, ich könnt mich schon daran gewöhnen ;-) Da muss ich nicht immer rechts in deinem Wörterbuch nachlesen oder laut vorlesen und den Bu fragen :-D
Ne ne, bleib so wie du bist! <3
ach.. wie dabei gewesen! ach ist das aufregend!
AntwortenLöschen